Jugendliche mit Handicaps aus dem Johannes-Falk-Haus zu Besuch in Spenges Realschule
Jeder Mensch hat seinen Wert. Ganz egal, wie viel er weiß oder wie schnell er lernt. Das haben Spenges Realschüler gestern bei einem Besuch von zehn Altersgenossen aus dem Johannes-Falk-Haus erfahren. Foto: Gül-Ayse Kömrelli (11) und Ellen Hüttemann (11) basteln mit Diana Schröder (15, von links) Windräder.
»Eine Richtlinie der Europäischen Union besagt, dass es künftig auch in Deutschland keine Förderschulen mehr geben soll. Im ersten Schritt werden künftig 20 Prozent der Jugendlichen mit einem Handicap also normale Schulen besuchen«, erklärt Realschulleiter Rainer Kalla. Seine Bildungsstätte ist darauf bestens vorbereitet, unterhält seit zehn Jahren Kontakte zur Förderschule in Schweicheln (Hiddenhausen).
Im Rahmen verschiedener Projekte zur Entwicklung ihrer Sozialkompetenz lernen die Realschüler durch Kontakte mit behinderten Menschen, eigenes und fremdes Anderssein zu sehen und anzunehmen, eigene Vorurteile abzubauen, auf Behinderte zuzugehen und mit ihnen partnerschaftlich umzugehen. Nachdem die Klasse 6b bei einem ersten Kontakt ein gemeinsames Projekt in der Löhner Jugendkunstschule mit Johannes-Falk-Schülern in Angriff genommen hatten, verbrachten sie gestern weitere Zeit miteinander.
Unter anderem bastelten sie mit den Zwölf- bis Sechzehnjährigen kleine Windräder, die später alle mit nach Hause nehmen durften. »Ich bin eigentlich kein Bastelfreak, lese lieber«, gab Diana Schröder (15) von der Johannes-Falk-Schule unumwunden zu. Trotzdem genoss auch sie den Gedankenaustausch mit Gül-Ayse Kömrelli und Ellen Hüttemann (beide 11 Jahre). »Es macht Spaß, mit anderen Kindern etwas zu machen«, stellte Ellen bereits nach wenigen Minuten fest. Jeder sei anders, doch bereite es Freude, neue Bekanntschaften zu schließen. Ellen wie auch Gül-Ayse können sich sogar vorstellen, dass daraus länger anhaltende Freundschaften entstehen. »Es geht darum, sich in andere Menschen hinein zu versetzen«, betont Schulleiter Kalla. Und Cornelia Presche-Beeck, Klassenlehrerin der 6b, freut sich darüber, dass die Realschüler ihre Scheu gegenüber ihren Mitschülern mit geistigen Behinderungen so schnell verloren haben.
Das gestrige Besuchs-Programm begann mit einem gemeinsamen Frühstück. Danach stand Sport auf dem Unterrichtsplan. Und im Physikraum gab es viel zu bestaunen. Unter anderem zeigte Lehrerin Julia Gossen, wie sich Luftballone und Schokoküsse im Vakuum, also luftleeren Raum, verhalten. Das Interesse der Gäste am Experiment war riesengroß. Denn in der Johannes-Falk-Schule gibt es keinen Physikunterricht. »Unsere Schüler leben ein wenig wie in einem Elfenbeinturm«, erklärte Sonderschullehrer Michael Nölke (39), der mit Kollegin Janina Kleineberg die Falk-Schüler nach Spenge begleitet hatte. Grenzen auf- und vorhandene Ängste durchbrechen – das sei das Ziel der Begegnung, betonte er. »Und die Realschüler sollen sehen, dass auch unsere Schüler eine Menge drauf haben, zum Beispiel gut zeichnen können und kreativ geschickt sind.« Nach den Osterferien besuchen die Realschüler das Johannes-Falk-Haus.
Schüler akzeptieren Handicaps
Realschulleiter Rainer Kalla hat gut lachen: Seine Bildungsstätte macht seit Jahren, was die EU künftig vorschreibt. Sie führt gehandicapte und nicht behinderte Schüler zusammen. Gestern waren Jugendliche des Johannes-Falk-Hauses in Spenge zu Gast.
SN, Artikel von Donnerstag 18.03.2010