Schüler der Grundschule Lenzinghausen erkunden die Wunder der Physik und Chemie
Peng! Mit einem lauten Knall verwandelt sich der Luftballon für Sekunden in einen orangenen Feuerball, um dann zu verschwinden – das Experiment hinterlässt zusätzlich zum verbrannten Gummi die staunenden Gesichter der faszinierten Viertklässler. Sehr zur Freude der begeisterten Nachwuchsforscher kündigte Chemielehrer Hartmut Bornkessel nun an: „Jetzt dürft ihr selber Versuche machen.“
Und das Schönste: Alle diese Versuche können die Grundschüler gefahrenfrei und mit nur geringem Aufwand zu Hause nachstellen. Es reichen schon Backpulver, Essig und eine Kerze, um sich mit den Wundern der Chemie vertraut zu machen: Felix kippt ein Glas mit der Backpulver-Essig-Mischung nur leicht in Richtung der Kerze, und ohne dass die Flüssigkeit ihr Behältnis verlässt, erlischt diese bereits.
Der Grund: Durch das Vermischen von Essig und Backpulver entsteht Kohlendioxid, das – da es schwerer als Luft ist – aus dem Glas auf die Kerze sinkt und diese zum Erlöschen bringt.
Getreu dem Motto „Chemie ist, wenn es knallt und stinkt“ durften die Schüler an einer anderen Station den sogenannten „Raketenversuch“ machen: Sie geben ein wenig Wasser in eine Dose Brausetabletten, und schon schießt die gesamte Ladung wie eine Rakete nach oben.
Der zehnjährige Jonas ist erstaunt, und hat auch schon gleich eine Idee für zuhause: „Ich kaufe mir gleich einen ganzen Haufen davon. Dann könnte ich sogar drei Raketen nebeneinander zünden.“ Bis auf nasses Brausepulver an Möbeln und Tapeten haben Eltern jedoch nichts zu befürchten: Der erzeugte Druck reicht nicht aus, um wirklich gefährlich zu werden – wohl aber, um Schüler für chemische Zusammenhänge zu begeistern.
Und darauf kommt es schließlich an. Das findet der betreuende Lehrer Bornkessel: „Ein Tag der offenen Tür reicht oft nicht aus, um ein Fach in all seinen Facetten zu präsentieren. Aber bei diesem Projekt haben wir die Gelegenheit dazu.“ So planten er und einige Realschüler der Chemie- AG Versuchsstationen zum Thema „Feuer und Feuer löschen“, an denen die Viertklässler ihrer Neugier freien Lauf lassen konnten – eigenständig, aber unter dem wachsamen Auge der Lehrkraft.
„Natürlich verstehen nicht alle Kinder direkt die chemischen Zusammenhänge, die wir ihnen während des Versuches natürlich erklären“, sagt Melike aus der Chemie AG. „Aber es wird Interesse geweckt.“ „Leider“ könnten die interessantesten Experimente nicht von den Schülern selber gemacht werden: Zum Beispiel wenn mit gefrorenem Kohlendioxid, sogenanntem Trockeneis, Feuerlöschschaum produziert wird. Wohl aber waren alle beim Versuch am Pult dabei – und jeder durfte danach den nun nicht mehr eiskalten und damit harmlosen Schaum anfassen.
Der Fachbereich Physik wurde den Kleinen von Lehrerin Julia Gossen präsentiert. Die Vorstellung reicht von der Akustik bis zur Magnetismuslehre.
Die Grundschüler durften sich in alle Teilbereiche der Lehre der Kräfte hineinarbeiten. Ob nun Schallwellen Sandkörner zum Tanzen brachten oder ob eine UV-Lampe ein Mini-Solarauto durch den Klassenraum flitzen ließ – die Schüler verließen den Physikraum nicht nur begeistert, sondern auch mit einer riesigen Vorfreude auf die siebte Klasse. Denn erst dann geht der Physik- und Chemieunterricht los.
„Die Grundschüler haben nun ein Bild davon, wie der Unterricht in den weiterführenden Schulen aussieht, und das war ja unsere Intention“, erklärt Schulleiter Rainer Kalla.
Nachdem die Grundschulen Bardüttingdorf-Wallenbrück und Lenzinghausen bereits an dem Projekt teilnehmen, würde er sich freuen, wenn auch die Grundschule Spenge-Mitte und weitere mitmachen würden.
Dampfendes Eis und fliegendes Feuer: Alina (oben) staunt nicht schlecht, als sich das vor Kälte schon dampfende Trockeneis in Schaum verwandelt.„Das sieht aus wie eine Rakete“, sagte Jonas (rechts). Durch das Feuer drückt die aufsteigende Luft das flammende Papierstück nach oben und lässt die Flamme durch die Luft schweben.
 Nachwuchs gesucht
„Wir Lehrer könnten Nachwuchs aus den Naturwissenschaften gut gebrauchen“, meint Hartmut Bornkassel, und betont damit die Wichtigkeit der Schüler-Experimentiertage. Die Pressestelle der Universität Bielefeld bestätigt dies: „Es gibt weniger Lehramtsstudierende in den Naturwissenschaften als in den Geisteswissenschaften. Im Bereich der Haupt- und Realschulen liegt die Quote bei 37, bei den zukünftigen Gymnasiallehrern bei 23 Prozent; das ist aber schon seit längerem so. “
NW, Artikel von Freitag 14.01.2011