Warum Jugendliche der Spenger Realschule und der Förderschule Hiddenhausen gemeinsam lernen
Dieser Schultag ist ganz anders als alle anderen. Die Schüler der Klasse 6a und 6b der Städtischen Realschule Spenge haben Gäste, mit denen sie einen Vormittag lang gemeinsam die Schulbank drücken. Die neuen Mitschüler stammen aus der Förderschule des Johannes-Falk-Hauses in Hiddenhausen.
Für diesen besonderen Schultag haben die Lehrer den Lehrplan umgeschmissen. Deutsch und Rechnen sind gestrichen, stattdessen gibt es Unterricht zum Anfassen und Mitmachen. Das ist eine Brücke, um den Hintergrundgedanken des Projektes mit Leben zu füllen: Die Integration.
„Unsere Schüler haben zum Teil mehrfache Behinderungen“, sagt Ron Oestreich. Er ist Lehrer an der Förderschule und hat 22 Schüler aus der dortigen Mittel- und Oberstufe zum mittlerweile vierten integrativen Schüleraustausch mitgebracht.
Nach einem gemeinsamen Frühstück geht es in den Unterricht, der so konzipiert ist, dass Realschüler zusammen mit Förderschülern Kleingruppen bilden und Themen bearbeiten. Das ist für die Förderschüler nicht neu – sie arbeiten oft in Gruppen, zudem haben die Klassen nur rund zwölf Schüler.
In der Kunststunde sollen die Jugendlichen mit Wachsmalstiften ein Haus malen – nicht irgendwie, sondern im Stil des Künstlers Friedensreich Hundertwasser: Gerade Linien sind verpönt. Das erleichtert die Arbeit enorm.
Im Sport werden verschiedene Bewegungsspiele angeboten. „Sport ist ein Türöffner“, sagt Lehrerin Janna Oberpenning, „die Schüler gehen sofort völlig normal miteinander um.“ Zum Beispiel Mike und Harun, die dem Wunsch von Betyl nachkommen und sich gemeinsam auf dem Rollbrett über den Turnhallenboden ziehen.
Neu für die Förderschüler sind die Fächer Biologie und Physik. „Bei uns gibt es stattdessen eine Lebenspraktische Orientierung“, erklärt Oestreich. Die ist vergleichbar mit dem allumfassenden Sachkundeunterricht der Grundschule. Die Bio-Gruppen verfolgen den Weg der Nahrung durch den menschlichen Körper; die Physiker führen Luftdruck-Experimente durch. „Wir behandeln ganz viele Themen, die wir sonst nie hatten“, findet Natalie den außergewöhnlichen Unterricht gut.
Nach 30 Minuten sind die Stunden rum, dann werden die Klassen gewechselt, so dass jeder Schüler in jeden Unterricht hineinschnuppern darf. Um halb eins ist Schluss; die Förderschüler fahren zurück nach Hiddenhausen. Doch im Juni gibt es ein Wiedersehen – dann sind die Realschüler in der Gastrolle. „Wir hoffen, dass aus dem Projekt längerfristige Kontakte erwachsen“, sagt Oestreich.
Freude an der Bewegung: Mike (v.l.), Harun und Betyl haben sich Rollbretter geschnappt und fahren durch die Sporthalle. Im Juni sehen sich die drei Jugendlichen an der Förderschule in Hiddenhausen wieder.
Soziale Integration
Das Johannes-Falk-Haus bietet Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf Unterstützung in ihrer Entwicklung, mit dem Ziel, diesen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in sozialer Integration zu ermöglichen, heißt es auf der Homepage der Institution.
Das Johannes-Falk-Haus besteht aus der mobilen Frühförderung und der Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Infos unter www.johannes-falk-haus.de.
NW, Artikel von Mittwoch 06.04.2011