Wie Mädchen und Jungen einen Tag in einer fremden Berufswelt erleben
Helena und Kim-Sophie haben Spaß, obwohl sie ganz schön hart arbeiten müssen – die zwölfjährigen Mädchen ackern im Straßenbau. Derweil üben sich die Jungs im Bügeln und Knöpfe annähen.
Rollentausch ist angesagt. Was für die Mädchen der Girls’ Day ist, nennt sich bei den Jungs Boys’ Day: Einen Tag lang dringen Schüler in die beruflichen Domänen des anderen Geschlechts ein.
Helena und Kim-Sophie knien im Sand und legen Pflastersteine oder drücken Kies mit einer Rüttelplatte in Form. Um die Mädchen bei Laune zu halten, erlaubt Vorarbeiter Marko Ellerbrok ihnen auch das Fahren mit Bagger und Radlader. „Es war richtig spannend“, sagt Helena. Später im Straßenbau zu arbeiten ist trotzdem nichts für die beiden Freundinnen. Auch Alina (12) und Judith (12) schütteln mit den Köpfen. Sie schnuppern am Klärwerk in die Welt der Abwassertechnik hinein.
Bei 14,7 Prozent liegt der Frauenanteil in Entsorgungsberufen, gibt die Gleichstellungsbeauftragte für Enger, Ulrike Harder-Möller, eine Statistik wieder. Im Straßenbau tendieren die Zahlen gegen Null.
Lediglich Nadine (12) kann sich vorstellen, den Girls’-Day-Beruf irgendwann auch zu ergreifen. Sie rüstet in der EDV-Administration der Stadtverwaltung die Rechner mit Hard- und Software auf. „Ich interessiere mich für Computer“, begründet sie. Ihre Mutter hat den Kontakt geknüpft, die anderen Mädchen haben sich über eine spezielle Homepage des Aktionstages beworben.
Manchmal hilft aber auch die Schule nach und schlägt Betriebe vor. So auch in der Realschule Spenge. 157 Schüler der Jahrgangsstufen fünf bis acht erleben einen unbekannten Berufsalltag. Wer nirgends untergekommen ist – aus welchen Gründen auch immer –, durchläuft mehrere Stationen in der Schule. Die Jungs haben morgens brav die Zutaten für eine schmackhafte Tomatensuppe geschnippelt und den fertigen Eintopf anschließend selbst verputzt.
So gestärkt geht’s im Textilraum zur Sache: Der 14-jährige Max steht vor einem Bügelbrett und lässt sich von Lehrerin Elisabeth Harting die Arbeitsschritte erklären – gebügelt hat er noch nie. Marvin (14) benötigt keine Anweisungen. Er hilft viel im Haushalt, weil seine Mutter berufstätig ist. „Außerdem ist es wichtig, alles zu können, wenn man irgendwann mal alleine lebt“, findet er. Hausmann wäre aber nichts für ihn; dann schon lieber Ingenieur.
Große Schwierigkeiten haben Callum (13) und Ernests (15) beim Knöpfe annähen. Während Ernests schon beim Einfädeln des Garns scheitert, schafft es Callum bis zum Stoff – und gibt dann auf. Für die beiden steht nach diesem Tag fest: Hausarbeit ist Frauensache.
Harte Arbeit: Die zwölfjährigen Schülerinnen Kim-Sophie (l.) und Helena haben viel zu tun. Mit einem Pflasterhammer klopfen sie die Würfel in den Sand. Der Steinhaufen hinter ihnen muss aber noch verlegt werden.
Über den Tellerrand hinaus
Der Girls’ Day findet bereits zum elften Mal statt. Hintergrund ist, dass Mädchen einen Tag lang in typische Männerberufe hineinschnuppern. Zum Beispiel in einem Gartenbaubetrieb, einer Tischlerei oder einer Kfz-Werkstatt.
In diesem Jahr wurde auch offiziell der Boys’ Day ausgerufen, um Jungen Einblicke in die typischen Frauenberufe zu gewähren: Kindergärtner, Friseur oder Altenpfleger.
Beiden gemeinsam ist die eigenständige Suche nach einem geeigneten Praktikumsplatz. Die Schüler erhalten für diesen Aktionstag eine Teilnahmebescheinigung.
NW, Artikel von Freitag 15.04.2011